© Michel Cardin
Das Londoner Manuskript


Solo-Sonate 11 in A-Dur
(Smith-Crawford 16)

Die kompletten und berarbeiteten Texte von 'London unveiled' von Michel Cardin können als pdf-Dateien herunter geladen werden (zur Zeit nur in Englisch): 'London unveiled'

Diese Suite hat insgesamt 6 Sätze, von denen nur die Pastorrell ein Unikat ist.  Die Manuskripte von Wien und Dresden enthalten die fünf anderen Sätze, allerdings ist die Pastorrell durch die Gigue von Suite Nr. 8 (S-C 12) als Schlusssatz ersetzt. In den Manuskripten von Podebrady und Haslemere sind jeweils zwei Sätze enthalten.  Die Londoner Version ist vollständig in der Handschrift des Komponisten. Die Suiten von Wien und von Dresden sind überschrieben mit: Partita Mons. Weis, bzw. Suonata del Sigre S. L.Weiss. Wie Tim Crawford bemerkt hat, könnte man diese Suite die "Weihnachtssuite vom Weiss" nennen.

Wie bei Suite Nr. 8 (S-C 12) scheint hier A-Dur nicht die Affekte hervorzurufen, die Mattheson beschreibt, mit Ausnahme der Allemande, die in der Tat Momente von Traurigkeit enthält. Allerdings hatte ich das Zitat nicht im Gesamten wiedergegeben. Es geht nämlich folgendermaßen weiter: "... insonderheit schicket er sich sehr wohl zu Violin-Sachen". Eine mögliche Erklärung für unsere Differenz zu Mattheson könnte sein, dass er vor allem an andere Instrument und an ihren Kontext im Orchester denkt, wenn er die Tonarten beschreibt.

Die Allemande beginnt zwar in Melancholie, vermittelt aber zugleich eine imposante Selbstsicherheit, wie von königlicher Majestät. Genauso wie beim entsprechenden Satz der vorhergehenden Suite, werden hier die tieferen Register reichlich eingesetzt. Das gilt in gleicher Weise für die anderen Suitensätze, anscheinend bereitet der daraus resultierende Klangreichtum dem Komponisten große Freude.

Das Air en echo enthält eine große Überraschung, denn es wird im Untertitel als Largo bezeichnet, wohingegen es in den andern drei Manuskripten klar mit Vivace (sehr schnell) angegeben wird. Was sollen wir jetzt tun? Drei Dinge sind in Betracht ziehen. Erstens steht das Air hier anstelle der Courante und ist in drei der vier Quellen mit vivace bezeichnet. Zweitens wechseln im Notentext dieses Echo-Stücks ständig forte und piano. Das ist bei einem schnellen Tempo kaum zu realisieren (das gilt noch viel mehr, wenn die Verzierungen beachtet werden sollen). Vielleicht wollte Weiss mit der Bezeichnung Largo seine Schüler dazu bringen, dass sie mehr auf die dynamischen Kontraste achteten als auf die Schnelligkeit? Zuletzt fällt auf, dass dieser Satz alle wesentlichen Kennzeichen (Akzente, Länge der Phrasen usw.) eines Menuetts in sich trägt. Alles zusammengenommen kann man daraus schließen, dass dieses Stück in einem largo-Tempo nach der Allemande unangemessen langsam wäre, vivace gespielt aber viel zu schnell. Deshalb habe ich es vorgezogen, den Satz wie eine moderate Courante zu nehmen, dabei aber nahe am Stil eines Menuetts zu bleiben.

Die Paysanne ist sehr lebhaft und beinhaltet einen regelmäßigen Wechsel zwischen hüpfenden Themen mit vielen Sprüngen und kurzen melodischen Teilen. Wenn man die vier unterschiedlichen Vorkommen dieses Stückes vergleicht, fällt auf, dass ein- und diesselbe Phrase auf vier verschiedene Weisen artikuliert wird: . Das zeigt auf's Neue, wie wenig festgelegt damals die Details der Interpretation in Lautentabulaturen waren.

Gelassenheit, Ruhe und Einfachheit sind der Sarabande zueigen. Ihr erster Takt erinnert uns in jeder Hinsicht (bis auf das Register - es ist hier viel tiefer) an den entsprechenden Satz in der 4.Suite. Das folgende, leichtfertige Menuett, das in der Wiener Version den Untertitel Mad: la grondeuse (die schimpfende Dame) trägt, erinnert einen von der Melodie her an ein spielerisches Bock-Springen (das hüpfende, melodische Motiv), das immer wieder von einer schimpfenden Person unterbrochen wird (die absteigende Basslinie).

Die entzückende Pastorell, die die Suite abschließt, steht wie eine Gigue im 6/8 Takt, aber anstatt des kontinuierlichen Flusses der Noten in letzterer, findet sich hier der rustikale Rhythmus .  Ungewöhnlich ist bei diesem Stück, dass es nicht aus zwei wiederholten Teilen besteht, sondern aus einem, der vollständig wiederholt wird.


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